02/22/2024

Die wichtigsten Änderungsvorschläge der Abgeordneten am Verordnungsentwurf der Kommission lauten:

  • Die Verordnung soll für alle Mitgliedstaaten bindend sein. Es ist keine freiwillige Teilnahme mehr vorgesehen. Der Teilnahme der Arbeitgeber und Arbeitssuchenden bleibt jedoch freiwillig.
  • Der Talentpool soll Jobsuchenden aus Drittstaaten aller Qualifikationsniveaus offenstehen.
  • Stellenausschreibungen können explizit auch zu Ausbildungsplätzen und Praktika sein.
  • Arbeitgeber müssen sich an die allgemeinen Grundsätze und operative Leitlinien für faire Rekrutierung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) halten.
  • Die Einbeziehung und Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern wurde an vielen Stellen im Rahmen der Governance-Struktur ergänzt. Die Repräsentation der EU-Sozialpartner in der Lenkungsgruppe wurde von zwei auf drei Sozialpartner pro Seite erhöht.
  • Der Entwurf betont, dass bei der Arbeit der nationalen Kontaktstellen Synergien mit bestehenden Strukturen bestmöglich genutzt werden sollten und die nationalen Verwaltungen nicht überfordert werden dürfen. Insgesamt wurden die Bestimmungen über die Informations- und Unterstützungsdienste der nationalen Kontaktstellen präzisiert und teils ausgeweitet.
  • Während der Kommissionsvorschlag nur die Teilnahme von Arbeitgebern im Talentpool dargelegt, führt der Berichtsentwurf auch die Registrierung aus:
    • Arbeitgeber sollen sich mit einem Profil online registrieren. 
    • Dafür müssen sie u. a. folgende Angaben tätigen: Kontaktinformationen, Tätigkeitssektor, Auszug aus nationalem Unternehmensregister, Überprüfung des Strafregisters oder der polizeilichen Informationen der natürlichen Personen, die für das Unternehmen verantwortlich sind. 
    • Arbeitgeber müssen über die Plattform verpflichtend eine Schulung zum Thema „fair recruitment“ und internationale Arbeitsstandards abhalten und eine Erklärung unterschreiben, dass sie die ILO-Vorschriften einhalten. 
    • Die nationalen Kontaktstellen sollen den Arbeitgeber prüfen bevor sie das Profil auf der Plattform zulassen. Der Arbeitgeber kann sodann die nationalen Kontaktstellen bitten, seine Stellenausschreibung hochzuladen. Es wurde konkretisiert, welche Informationen in den Stellenausschreibungen enthalten sein müssen – etwa auch die geltenden Vergütungspraktiken. Der Upload des Stellenangebots muss innerhalb von fünf Tagen erfolgen. 
  • Mit Blick auf den Matching-Prozess sollen die Profile von Arbeitgebern, die zusätzliches Training im Bereich „fair recruitment“ absolviert haben oder während der Arbeitszeit Weiterbildungen anbieten, eine höhere Sichtbarkeit erhalten. Gleiches gilt für Arbeitssuchende, die zuvor schon für eine offene Stelle ausgewählt wurden.
  • Die IT-Plattform soll auch ermöglichen, Kompetenztests und Bewerbungsgespräche direkt über die Plattform zu führen.
  • Arbeitgeber müssen den Kandidaten nach einem erfolgreichen Matching alle notwendigen Informationen gemäß Arbeitsbedingungen-Richtlinie 2019/1152/EU bereitstellen.
  • Arbeitssuchende sollen eine Online-Informationsveranstaltung zu ihren geltenden Rechten erhalten, wenn sie sich im Pool registrieren.
  • Wenn Verstöße nachweislich behoben wurden, soll auch die Suspendierung von Arbeitgebern unverzüglich aufgehoben werden. In schweren Missbrauchsfällen wie etwa Menschenschmuggel soll die Suspendierung vom Talentpool dauerhaft sein.
  • Die Mitgliedstaaten müssen beschleunigte Einwanderungsverwahren für die Mangelberufe gemäß ihrer nationalen Liste sowie Jobsuchende mit einem EU-Talentpartnerschaftspass einführen.
  • Die Marketing- und „Outreach“-Aktivitäten zum Talentpool in Drittstaaten und gegenüber Arbeitgebern (insb. KMU) wurden umfassend ergänzt.
  • An den Artikeln zur EU-Mangelberufeliste (Art. 14) und möglichen nationalen Abweichungen (Art. 15) wurden keine Änderungen vorgenommen. Sie liegen in der exklusiven Kompetenz des assoziierten EMPL-Ausschusses.

Nächste Schritte: Die Frist für Änderungsanträge der LIBE-Abgeordneten ist am 28. Februar. Danach beginnen im LIBE-Ausschuss die Beratungen mit dem Ziel, Kompromissänderungsanträge zu erarbeiten. Die Abgeordneten des assoziierten EMPL können bis zum 19. Februar eigene Änderungsvorschläge einbringen. Die Abstimmung im EMPL ist derzeit für den 3. April geplant; die Abstimmung im LIBE für den 8. April. Das Plenum des EP soll in der letzten Plenarwoche Ende April 2024 votieren.

Bewertung: An einigen Stellen sieht der Entwurf der Berichterstatterin sinnvolle Anpassungen vor: So etwa mit Blick auf die Einbeziehung der Sozialpartner, die notwendigen „Outreach“-Aktivitäten sowie die Arbeit der involvierten nationalen Behörden. An vielen Stellen wird der Verordnungsvorschlag jedoch verkompliziert: Die weitreichenden Anpassungen mit Blick auf die Einhaltung von Rechten verfolgen das richtige Ziel, Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Die Prüfung des Arbeitgebers und der Beschäftigungsbedingungen erfolgt in Deutschland durch die Bundesagentur für Arbeit. Sie ist fester Bestandteil des Zuwanderungsverfahrens in Deutschland. Derartige Schutzvorkehrungen dem gesamten Prozess vorzuschalten – etwa durch Pflichtschulungen von Arbeitgebern – würde die Hürde einer Teilnahme von Arbeitgebern am Talentpool unverhältnismäßig erhöhen. Der Talentpool muss für die Vielzahl an beteiligten Akteuren einfach zu handhaben ist. Wenn diese Grundvoraussetzung – wie im vorliegenden Berichtsentwurf – nicht gewährleistet ist, sind seine Erfolgschancen schwindend gering. 

VOILA_REP_ID=C12584EA:004A36F5