05/31/2023

Der heute veröffentlichte MINT-Frühjahrsreport zeigt, dass die so genannte MINT-Lücke im Zuge der konjunkturellen Abkühlung zwar in den letzten drei Monaten wieder leicht gesunken ist, sie bleibt aber weiterhin auf sehr hohem Niveau: Im April 2023 stehen in den MINT-Berufen insgesamt rund 496.500 zu besetzende Stellen bundesweit 190.570 Personen gegenüber, die arbeitslos gemeldet sind und gerne einem MINT-Erwerbsberuf nachgehen würden. Über sämtliche Anforderungsniveaus konnten somit bundesweit mindestens 305.900 Stellen in MINT-Berufen nicht besetzt werden. Unter Berücksichtigung des qualifikatorischen Mismatches besteht im April 2023 eine über sämtliche MINT-Berufskategorien aggregierte Arbeitskräftelücke in Höhe von 308.400 Personen. Im Vergleich zum Rekordwert aus dem April 2022 ist die MINT-Lücke damit leicht um 3,8 Prozent gesunken.

Die wichtigsten Ergebnisse im Detail:

  • Die MINT-Expertenberufe bilden die größte Engpassgruppe (141.300 Personen), gefolgt von den MINT-Facharbeiterberufen (134.100) sowie den Spezialisten- beziehungsweise Meister- und Technikerberufe (33.000).
  • Die größten Engpässe bestehen in den Energie-/Elektroberufen (88.600), in den Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik (56.600) und in den IT-Berufen (50.600). An vierter Stelle folgen die Bauberufe (40.000). Im Vorjahresvergleich ist die Lücke in den Energie-/Elektroberufen um 6.100 gestiegen und in den IT-Berufen ausgehend von coronabedingten Rekordwerten um 10.000 sowie in den Bauberufen um 3.900 gesunken. Besonders hoch war der Rückgang in den Berufen der Metallverarbeitung (um 4.800 von 43.500 auf 38.700).
  • Der Mangel an IT-Fachkräften ist weiterhin deutlich spürbar: Während die Beschäftigung in den MINT-Facharbeiterberufen in den letzten 10 Jahren um 3,4 % anstieg, nahm die Zahl der IT-Fachkräfte um 77,6 % zu. Bei den Spezialistenberufen waren die Zuwächse für die MINT-Berufe insgesamt mit 17 % ebenfalls deutlich geringer als im IT-Segment (30,3%) und auch bei den akademischen Berufen war der Zuwachs in den IT-Berufen mit 125,7 % deutlich höher als bei den MINT-Berufen insgesamt (46,5 %).
  • Der demografische Ersatzbedarf steigt kontinuierlich: Aktuell scheiden jährlich über 64.700 MINT-Akademikerinnen und MINT-Akademiker aus Altersgründen aus dem Arbeitsmarkt aus. In fünf Jahren wird der jährliche demografische Ersatzbedarf um 7.400 auf 72.100 zunehmen. Bei den MINT-Facharbeiterinnen und -Facharbeitern beträgt der aktuelle demografische Ersatzbedarf rund 274.000 und wird in fünf Jahren um rund 17.900 auf 291.900 steigen.
  • Demgegenüber steht ein Rückgang bei MINT- Studienabsolventinnen und -absolventen: Während ihr Anteil an allen Hochschulabsolventinnen und -absolventen von 2005 bis 2015 von 31,3 % noch auf 35,1 % zunahm, ist er von 2015 bis 2021 wieder auf 31,7 % gesunken. Die Zahl der MINT-Studierenden im ersten Hochschulsemester betrug im Studienjahr 2016 noch rund 198.000 und nahm dann bis auf 172.000 im Studienjahr 2021 ab. Zuletzt stieg sie wieder leicht durch eine deutliche Zunahme bei ausländischen Studierenden auf 176.300 an. Dennoch ist in den kommenden Jahren mit einem weiteren Rückgang bei den Erstabsolventinnen und Erstabsolventen in den MINT-Fächern zu rechnen.
  • Auch die Gesamtzahl der Auszubildenden in MINT-Ausbildungsberufen ist von 443.300 im Jahr 2019 auf 417.700 im Jahr 2021 gesunken. Dabei zeigt sich in Engpassberufen, dass vor allem die sinkende Bewerberzahl für den Rückgang verantwortlich ist.
  • Der Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen in MINT-Berufen ist in den letzten 10 Jahren von 13,8 % auf 16 % gestiegen. Am höchsten sind die Frauenanteile in den naturwissenschaftlich-mathematischen Berufen und am niedrigsten in den Ingenieurberufen bzw. der Metallverarbeitung.
  • Der Anteil der MINT-Beschäftigten im Alter ab 55 Jahren an allen MINT-Beschäftigten ist in den letzten 10 Jahren deutlich von 15,1 % auf 21,9 % gestiegen. Hierbei nahm die Steigerung mit höherem Alter zu. Während die MINT-Beschäftigung bei den 55- bis unter 58-Jährigen um 39 % zunahm, stieg sie bei den 58- bis unter 61-Jährigen um 59 %, bei den 61- bis unter 63-Jährigen um 89 % und bei den ab 63-Jährigen sogar um 159 %. Diese Entwicklung ist beachtlich, da im selben Zeitraum die gesamte MINT-Beschäftigung um 13 % zunahm, die MINT-Beschäftigung der 45- bis unter 55-Jährigen aber um 16 % abnahm.
  • Das MINT-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern war in den letzten 10 Jahren überproportional hoch. Die Beschäftigung von Deutschen in MINT-Facharbeiterberufen ist in diesem Zeitraum leicht gesunken (-2,3 %), unter Ausländerinnen und Ausländern nahm sie hingegen um 74,2 % zu. In MINT-Spezialistenberufen gab es einen Zuwachs unter Deutschen von 12,1 % und unter Ausländerinnen und Ausländern von 118,5 % und in MINT-Akademikerberufen betrugen die Zuwächse unter Deutschen 37,2 % und unter Ausländerinnen und Ausländern 181,8 %. Wäre die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern seit Ende 2012 nur in der geringen Dynamik wie die Beschäftigung von Deutschen gestiegen, würde die Fachkräftelücke heute um 385.700 Personen höher ausfallen und damit einen Wert von fast 700.000 MINT-Kräften erreichen. Unter den fünf Nationalitäten mit den höchsten Beschäftigtenzahlen in akademischen MINT-Berufen sind mit Indien (26.312), der Türkei (11.775), China (8.921) und der Russischen Föderation (8.838) vier Drittstaaten vertreten.

Der MINT-Frühjahrsreport empfiehlt folgende Aktivitäten:

  • Chancen im Bildungssystem verbessern: Ganztaginfrastruktur an Kitas und Schulen ausbauen und mehr Sprachförderprogramme anbieten.
  • Digitalisierung der Bildungseinrichtungen voranbringen.
  • MINT-Bildung stärken: Digitale Medienbildung bereits in der Vorschule; Fach Informatik ab der Primarstufe einführen.
  • Potenziale der Frauen heben: Durch eine klischeefreie Berufs- und Studienorientierung Potenziale der Frauen für MINT-Berufe besser erschließen und dabei die Bedeutung der MINT-Berufe als Klimaschutz-Berufe deutlicher kommunizieren.
  • Potenziale der Älteren noch stärker heben: Weiterbildungsbedarfe für erwerbstätige MINT-Kräfte adressieren.
  • Potenziale der Zuwanderung erschließen: Bürokratische Prozesse verbessern, gezielt um Zuwanderung im Ausland werben.
VOILA_REP_ID=C12584EA:004A36F5