05/31/2023

Immer wieder taucht die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens aus den Untiefen der politischen Debatten auf – und wird damit beworben, dass die Mehrheit der Deutschen das angeblich befürworten würde. In Volksentscheiden sprechen sich die Bürger dagegen regelmäßig gegen die Idee aus, so wie in der Schweiz oder zuletzt in Berlin. Die jüngste Umfrage aus dem Jahr 2022 legt nun dankenswerterweise offen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen vor allem von denen befürwortet wird, die davon persönlich profitieren. Andere sollen dafür höhere Einkommens- und Vermögenssteuern zahlen, während man selbst dank eines hohen Grundeinkommens weniger oder gar nicht arbeiten muss. 

Leider wird in den Umfragen nicht gefragt, ob die höheren Einnahmen besser für Bedürftige oder bessere Bildung verwendet werden sollten. Auch typische Ausweichreaktionen werden ignoriert: So könnte man auch fragen, ob diejenigen, die höher besteuert werden sollen, weniger oder gar schwarz arbeiten würden.

Außerdem bleiben viele weiteren Ungerechtigkeiten unerwähnt: 

  • Haben wirklich alle Anspruch auf ein BGE? Also auch Geflüchtete und alle EU-Bürger, die nach Deutschland kommen? 
  • Warum bekommen Kinder bei vielen Modellen nur die Hälfte und wie passt das zur Bedingungslosigkeit? 
  • Wenn die unterschiedlichen Wohnkosten bei den Sozialleistungen nicht mehr berücksichtigt werden, können sich dann nicht nur noch Reiche das Wohnen in Innenstädten leisten?  
  • Bekommen Menschen mit Behinderung auch nicht mehr als der arbeitsunwillige Mitbürger?
  • Verfallen bei der Umstellung auf ein BGE alle erworbenen Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder muss die junge Generation weiter in der Rentenversicherung einzahlen, ohne Ansprüche zu erwerben?  
  • Die Idee, dass eine Leistung mit einer Gegenleistung ausgeglichen wird, ist die Grundlage menschlichen Zusammenlebens. Für Arbeit erhält man einen Lohn und wer bedürftig ist, erhält soziale Leistungen. Bedingungsloses Geben fällt sogar Eltern bei den eigenen Kindern nicht immer leicht: Ein Lächeln als Gegenleistung für durchwachte Nächte macht es schon leichter. In einer anonymen Großgesellschaft von über 80 Millionen Menschen daraufzusetzen, erscheint gewagt, wenn nicht irrational und gefährlich. 

Die entscheidende Frage ist: Warum sollten wir das im internationalen Vergleich so erfolgreiche Modell der Sozialen Marktwirtschaft durch radikale Umwälzungen mit ungewissem Ausgang gefährden? 

Denn Deutschland gehört in verschiedenen Rankings zu den besten Ländern weltweit, beispielsweise wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, um Resilienz vor Krisen, die erfolgreiche Entkopplung von CO₂-Emissionen, Wachstum und die Erfüllung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Statt über nicht umsetzbare, irreführende Konzepte nachzudenken, sollten besser die trotzdem bestehenden Probleme zielgenau und bedürftigkeitsgeprüft gelöst werden. Ein bedingtes Grundeinkommen, das viele Leistungen zusammenfasst und dennoch unterschiedliche Bedarfe wie höhere Mietpreise in Städten berücksichtigt und Chancengerechtigkeit ermöglicht, ist gerechter, weil es nicht Ungleiches gleich behandelt.

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