02/02/2023

Der Jahreswirtschaftsbericht ist die Antwort der Bundesregierung auf das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

1. Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung

  • Der Bericht präsentiert einen Dreiklang aus „Wohlstand erneuern, ermöglichen und bewahren“ (ab S. 27, 44 und 59). In den drei dazugehörigen Kapiteln werden Energieversorgung und Transformation, eine angebotspolitische Agenda für mehr Fachkräfte, Investitionen und Innovation sowie die Stärkung strategischer Souveränität, die Neuausrichtung der Handelspolitik und der Ausbau unserer Wettbewerbsfähigkeit thematisiert.
  1. Die Energieversorgung soll nachhaltig gesichert und Transformation der Wirtschaft auch in der Krise vorangebracht werden (ab S. 27).
  2. Fachkräfteangebot und Qualifizierung sind von zentraler Bedeutung (ab S. 44). Es wird auf eine hohe Vakanz gerade bei Unternehmen im ländlichen Bereich hingewiesen. Neben der demografischen Entwicklung wird auch der beschleunigte Strukturwandel als Ursache für die Fachkräfteknappheit ausgemacht. Unternehmen sollen in der Transformation entlastet (ab S. 53) und die Wettbewerbsordnung gestärkt (ab S. 58) werden. Dabei will die Bundesregierung eine Anpassung der Wettbewerbsordnung unter dem Leitbild der Sozialökologischen Marktwirtschaft vornehmen. Sie arbeite an einer Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter, die sich im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung förderfähiger Wirtschaftsgüter gewinnmindernd auswirkt.
  3. Im Außenhandel soll Offenheit und Resilienz herrschen (ab S. 60), der Europäische Binnenmarkt vertieft (ab S. 64) und unsere Souveränität gestärkt (ab S. 65) werden.

Die Bundesregierung plant, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und die materielle Teilhabe zu sichern (ab S. 72). Hierzu sei es notwendig, die Kaufkraft insbesondere bei Haushalten mit geringem Einkommen zu erhalten, die präventive Sozialpolitik auszubauen und die regionale Strukturpolitik neu auszurichten. Dabei wird auch auf die zum 01. Oktober 2022 erfolgte Mindestlohnanhebung eingegangen (S.73).

Die Bundesregierung kündigt an, in die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu investieren und die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern (ab S. 83).

  1. Öffentliche Investitionen sollen Modernisierungen voranbringen (ab S. 83) und dabei sollen die öffentlichen Finanzen stabil (ab S. 85) bleiben.
  2. Strukturellem Anstieg des Anteils der Abgaben und Steuern am BIP begegnen (ab S. 88). Als Maßnahme, die bereits umgesetzt wurde, wird der Ausgleich der kalten Progression genannt. Vereinfachte Abschreibungsbedingungen und die steuerliche Förderung von Rücklagenbildungen sowie die Verbesserung der Verlustverrechnung sollen geprüft werden (ab S. 58).
  3. Die Tragfähigkeit der Sozialversicherung soll in den Blick genommen werden (ab S. 89).

Der Klimaschutz soll international vorangetrieben und dabei sollen ökologische Grenzen gewahrt werden (ab. S. 95).

Das Konzept der erweiterten Wohlstandsmessung wurde im Jahreswirtschaftsbericht 2022 vorgestellt und mit dem aktuellen Bericht in einem Sonderkapitel Wohlfahrtsmessung und gesellschaftlicher Fortschritt (ab S. 107) wieder aufgegriffen. Klassische wirtschaftspolitische Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt werden um Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsindikatoren ergänzt.

2. Jahresprojektion der Bundesregierung 2023 (S. 134)

  • Für das Jahr 2023 wird ein Wirtschaftswachstum von 0,2 % gegenüber 2022 prognostiziert. Der Jahreswechsel sei schwach, im Jahresverlauf wird eine spürbare wirtschaftliche Belebung erwartet. Die Weltwirtschaft verlangsame ihr Tempo, für 2023 wird ein Wachstum von 2,7 % prognostiziert.
  • Das Verbraucherpreisniveau soll um 6,0 % steigen (S. 135). Gegenüber der Herbstprognose hat die Bundesregierung ihre Wachstumserwartungen von - 0,4 % verbessert und die Inflationserwartungen von 7,0 % verringert.
  • Es wird mit einem Beschäftigungsaufbau im Jahr 2023 um 0,3 % gegenüber 2022 und einer Erwerbstätigkeit von 45,9 Mio. Personen gerechnet (S. 137 und 144). Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer dürften um 5,2 % steigen (S. 137).

Einbindung der BDA im Rahmen der Aussprache zum Jahreswirtschaftsbericht

Die BDA wurde im Rahmen der traditionellen Aussprache zum Jahreswirtschaftsbericht gemeinsam mit weiteren Verbänden des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft im Vorfeld der Veröffentlichung des Berichtes am 11. Januar 2022 zu ihren wirtschaftspolitischen Perspektiven befragt. Folgende Anliegen haben wir im Rahmen der Aussprache vorgebracht:

Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zentrale Aufgabe

  • Unternehmen leiden unter großen Angebotsschocks, die die Preise für Energie und Rohstoffe ansteigen lassen und die Inflationsraten auf Rekordhöhen treiben. Die hohen Energiekosten sind bereits ein großer Wettbewerbsnachteil. Ziel muss es sein, diesen durch andere Vorteile zu kompensieren  
  • Korrekturen bei den Umsetzungsvorhaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sind dringend erforderlich: Die Beantwortung des Fragebogens des BAFA muss für die Unternehmen freiwillig sein, da eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausfüllung eines standardisierten Fragebogens nicht besteht. Der gestuften Verantwortung und der Differenzierung zwischen der Verantwortung für unmittelbare Zulieferer und mittelbare Zulieferer muss Rechnung getragen werden.

Arbeits- und Fachkräftemangel einer der größten Bremsklötze für die deutsche Wirtschaft

  • Mangel gefährdet grundlegend den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, wird von Unternehmen aber auch als Chance begriffen, in Digitalisierung und Automatisierung zu investieren. Das verbessert langfristig unsere Wettbewerbsfähigkeit
  • Alle inländischen Potentiale müssen genutzt werden und das durch öffentliche Investitionen in Betreuungsinfrastruktur
  • Die Eckpunkte der Bundesregierung zur Erwerbszuwanderung aus Drittstaaten stellen die richtigen Weichen, verbessert werden muss das Verwaltungsverfahren

Nachhaltigkeit der Sozialen Sicherungssysteme

  • Die dauerhafte und verlässliche Begrenzung der Steuer- und Abgabenbelastung dringend notwendig für Attraktivität des Wirtschaftsstandortes.
  • Das Renteneintrittsalter wird steigen müssen, um die Finanzierbarkeit der Sozialversicherung sicherzustellen. Die abschlagsfreie Frührente muss beendet werden.
  • Auch der Kranken- und Pflegeversicherung werden nachhaltige und ausgabensenkende Strukturreformen benötigt.

Bewertung:

Die Konjunktur im vergangenen Jahr entwickelte sich besser als zunächst befürchtet aber dennoch sehr viel schlechter als vor dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts prognostiziert. In ihrer Jahresprojektion 2022 ist die Bundesregierung noch von einem Wachstum von 3,6 % für 2022 ausgegangen, erreicht haben wir nach Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes 1,9 %. Die Wohlstandsverluste sind real und die historisch hohe Inflation, der Zinsanstieg wie auch anhaltende Lieferengpässe drücken die Produktionsperspektiven und Investitionstätigkeit und sorgen für erhebliche wirtschaftliche Unsicherheit. Auch wenn die Winterrezession zunächst gebannt scheint und die Bundesregierung von einem marginalen Wachstum für 2023 ausgeht, bleiben Prognosen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hat in den letzten Jahren abgenommen: Dies zeigt unter anderem die kürzlich veröffentlichte ZEW-Studie zu Standortfaktoren für Familienunternehmen, bei der Deutschland im Standortwettbewerb weiter zurückfällt. Zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist die Wiederherstellung unserer Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich. Im Jahreswirtschaftsbericht werden wichtige Themenfelder dazu identifiziert, diese sind jedoch größtenteils keineswegs neu. Handlungsbedarf besteht seit langer Zeit und dieser wird immer dringender.

Ein Bespiel dafür ist die Benennung des strukturellen Handlungsbedarfs im Bereich Abgaben und Steuern. Der Ausgleich der kalten Progression ist dabei längst nicht genug. Zur Ankurbelung der Konjunktur und Wettbewerbsfähigkeit benötigen wir zusätzlich Maßnahmen in der kurzen Frist. Fachkräftemangel und erhöhte Energiepreise können erst in der mittleren Frist gelöst werden. Hinzu kommt die hohe Steuerlast Deutschlands im internationalen Vergleich. Die Ertragsteuerbelastung liegt deutlich über dem EU-28- und dem OECD-Durchschnitt. Die Ankündigung Bundesfinanzminister Lindners für ein Unternehmensteuerprogramm, welches im Frühjahr vorgelegt werden soll, ist daher zu begrüßen. Ein Belastungsmoratorium wird ebenfalls dringend benötigt, statt von Bürokratie zu entlasten steigt diese in vielen Bereichen an.

Wie der Sachverständigenrat in der Rolle als nationaler Ausschuss für Produktivität im letzten Jahresgutachten 2022/23 richtig herausgestellt hat, dürfte die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, die Abhängigkeiten in den Liefer- und Wertschöpfungsketten zu reduzieren. Der Staat sollte dabei unterstützende Anreize zur Diversifizierung der Beschaffung setzen sowie die Anpassung bestehender und Entwicklung neuer strategischer Allianzen vorantreiben.

 

Jahreswirtschaftsbericht 2023

Dokumenttitel Typ Größe
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8,9 MB
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