09/07/2022

Bewertung Konzeptpapier Ausbildungsgarantie des BMAS:

I. Zielgruppe:
Alle jungen Menschen, die noch nicht über einen Berufsabschluss verfügen.

  • Personengruppe ist viel zu groß, um allen ein Angebot für eine reguläre Ausbildung oder BaE zu machen
  • 2020 gab es in Deutschland rund 2,33 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss (Daten des Mikrozensus).
  • Zielgruppe sollte auf diejenigen begrenzt sein, die einen Bewerberstatus bei der BA haben

II. Sog. „Erste Stufe“: Beratung, Berufsorientierung, Vermittlung
Für Jugendliche, die bei Schulabschluss ihre Berufsorientierung noch nicht abgeschlossen und ihre Berufswahl noch nicht getroffen haben, schaffen wir eine neue Praktikumsinitiative mit dem Ziel, insbesondere SchulabgängerInnen noch im selben Jahr in eine Berufsausbildung zu bringen.

  • Deckt sich mit der BDA-Forderungen nach einem neuen Praktikumsprogramm, das zwischen Schulabschluss und Ausbildungsstart geschaltet werden soll
  • Generelle Verantwortlichkeit für Durchführung/Begleitung der Jugendlichen/Umsetzung bleibt unklar

Berufswünsche sollen soweit wie möglich realisiert werden, andernfalls gezielte Beratung zu Alternativen nahe am Wunschberuf; Ausbildungsgarantie ist keine Berufswahlgarantie.

  • Richtige Beratungs-Reihenfolge und wichtige Klarstellung, dass es keine Garantie auf den Wunschberuf gibt.

AsA gezielter nutzen; „Individuell kann auch der Weg über eine Einstiegsqualifizierung, die wir stärken wollen, zielführend sein“

  • Gezielte Nutzung von AsA deckt sich mit den BDA-Forderungen, dafür ist eine größere Bekanntmachung wichtig.
  • Stärkung von EQ ist positiv zu bewerten, geht jedoch nicht weit genug. Anstatt EQ lediglich für einen „individuellen Weg“ vorzusehen, sollte sie flexibilisiert (Dauer, Zeitpunkt) und für alle interessierten Jugendlichen geöffnet werden

III. Sog. „Zweite Stufe“: regionale Mobilität von Ausbildungssuchenden
Dazu soll über Möglichkeiten und Förderung regionaler Mobilität beraten werden.

  • Richtig, jedoch keine Neuerung zum status quo

Zuvorderst sind allerdings die Ausbildungsbetriebe selbst gefordert, attraktive Ausbildungsbedingungen und Mobilitätsanreize zu schaffen. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter sollen künftig Arbeitgeber zu Anreizen beraten, mit denen auch Auszubildende aus anderen Regionen gewonnen werden können.

  • Zahlreiche Ausbildungsbetriebe bieten schon jetzt Mobilitätsanreize, wie z.B. bezahlte Heimfahrten oder Bereitstellen von Wohnraum. Eine Beratung der Arbeitgeber durch die Agenturen, z. B. durch Best practice-Beispiele, ist unschädlich, wenn es ein freiwilliges Angebot ist. Es ist nicht Aufgabe des Arbeitgeberservice Arbeitgeber zu Personalentwicklung, Mitarbeiterbindung, Entgelt etc. zu beraten.

Zudem sollen die Möglichkeiten des Vermittlungsbudgets noch konsequenter genutzt werden. Im SGB III und SGB II wollen wir außerdem Mobilitätsprämien schaffen für junge Menschen, die sich außerhalb ihres Tagespendelbereichs einen neuen Wohnort suchen, um dort ihre Ausbildung zu beginnen.

  • Im Rahmen des Vermittlungsbudgets können Pendler unterstützt werden, jedoch maximal 6 Monate, Auszubildende sind bislang nicht die primäre Zielgruppe
  • Unklar ist die Höhe der angedachten Prämien. Es ist zu vermuten, dass nur sehr hohe Prämien einen erfolgreichen Anreiz darstellen, da das soziale Umfeld Jugendliche in der Regel davon abhält, die Heimat zu verlassen.

IV. Sog. „Dritte Stufe“: Ausbildungsmöglichkeit über BaE
In der dritten Stufe bieten wir jungen Menschen, die zu Beginn des Ausbildungsjahres in kein adäquates betriebliches Ausbildungsverhältnis gelangen können, bundesweit eine Ausbildungsmöglichkeit über eine außerbetriebliche Berufsausbildung an. In Regionen mit einem schwachen Ausbildungsmarkt werden dafür zudem zusätzliche Ausbildungsangebote bereitgestellt.

  • Schon jetzt gibt es ein flächendeckendes Angebot an BaE; der Mehrwert einer „bundesweiten“ Ausbildungsmöglichkeit ist nicht zu erkennen. BaE in der derzeitigen Ausgestaltung passen nicht zu der neuen Zielgruppe der Marktbenachteiligten. Zudem wird schon das bisherige Angebot an BaE-Plätzen nicht ausgeschöpft. Deshalb sind auch „zusätzliche“ Angebote nicht notwendig. Unklar bleibt auch, wie ein „adäquates Ausbildungsverhältnis“ und ein „schwacher Ausbildungsmarkt“ definiert werden (z. B. Bewerber[1]Stellen-Relation).

Die außerbetriebliche Berufsausbildung soll möglichst in kooperativer Form erfolgen. Soweit im Einzelfall kein Kooperationsbetrieb gewonnen werden kann, erfolgt eine Berufsausbildung in integrativer Form. Dies ist nur für eine begrenzte Anzahl an Ausbildungsberufen realisierbar, die regionenspezifisch unter Beteiligung der Sozialpartner und Kammern festgelegt werden.

  • Das Primat kooperativer BaE ggü integrativer BaE ist richtig; integrative BaE darf es nur im Ausnahmefall geben. Uns liegen keine Informationen darüber vor, ob die Akquise von Kooperationsbetrieben problematisch ist, sodass integrativ ausgebildet werden müsste.
  • Die Festlegung von Ausbildungsberufen (regionenspezifisch, Beteiligung Sozialpartner und Kammern) ist richtig.

Weitere Voraussetzungen für dieses Angebot sind: Vorherige Wahrnehmung eines Angebotes der Berufsberatung, Nachweisliche Vermittlungsbemühungen sind erfolglos geblieben, Mobilitätsanreize bleiben erfolglos. Im Ausbildungsverlauf soll stets ein Übergang in betriebliche Ausbildung angestrebt werden. Hierfür werden verstärkte Anreize gesetzt.

  • Eine Konditionierung von BaE ist grundsätzlich richtig, um eine Integration in reguläre Ausbildung zu befördern. Es fehlen jedoch konkrete Zielvorgaben: Wieviele Bewerbungen müssen geschrieben worden sein? Wie hoch sind die Mobilitätsanreize? Angesichts der potentiell sehr großen Zielgruppe ist dieser Ansatz sehr kritisch/gefährlich.
  • Verstärkte Anreize für einen Übergang von BaE in reguläre Ausbildung sind richtig. Dies deckt sich mit unserem Vorschlag, nach einem Jahr eine Überprüfung vertraglich festzulegen, ob in reguläre Ausbildung gewechselt werden kann.
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