01/27/2022

Die Bundesregierung hat den Jahreswirtschaftsbericht 2022 mit dem Titel „Für eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft – Transformation innovativ gestalten“ vorgelegt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den Bericht neu ausgerichtet und betont sehr deutlich die ökologische Dimension des Wirtschaftens. Ziel der neuen Bundesregierung sei es, die soziale Marktwirtschaft zu einer Sozial-ökologischen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln und dazu vermehrt private Investitionen durch öffentliche Investitionen anzuregen. In einer erweiterten Wohlstandsmessung werden klassische wirtschaftspolitische Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt um Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsindikatoren ergänzt. Sämtliche wirtschaftspolitische Instrumente werden hinsichtlich ihrer Effekte auf die Erreichung ökologischer Nachhaltigkeitsziele hinterfragt. Deutschland soll beim Klimaschutz vorangehen und bis 2045 klimaneutral sein. Im Rahmen der deutschen G7-Ratspräsidentschaft soll der Fokus auf Klimaaußenpolitik und einer Initiative für einen Klimaclub gelegt werden.

Bekenntnis zu öffentlichen Investitionen und Beibehaltung der Schuldenbremse

Die Bundesregierung plant zügiger und konsequenter zu investieren. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sollen angemessene Rahmenbedingungen gesetzt werden. Zusätzlich erhöht die Bundesregierung ihre Investitionstätigkeit. Fokussieren werden sich die öffentlichen Investitionen auf die Bereiche digitale und Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Forschung, klimafreundlicher Umbau der Wirtschaft.

Trotz der „äußerst anspruchsvollen“ Haushaltslage soll ab dem Jahr 2022 die Schuldenquote zurückgehen und die Maastricht-Schuldenobergrenze von 60 Prozent des BIPs im Jahr 2028 wieder unterschritten werden. Die gesetzliche Schuldenregel wird die Bundesregierung nicht ändern. Die Corona-Schulden der Jahre 2020 bis 2022 werden in einem Tilgungsplan zusammengefast, um eine „dauerhaft tragfähige Schuldentilgung zu gewährleisten“. Außerdem erkennt die Bundesregierung den Beitrag „wachstumsfreundlicher, international wettbewerbsfähiger“ steuerlicher Rahmenbedingungen zur wirtschaftlichen Entwicklung.

Taxonomie und Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die Bundesregierung unterstützt die Prüfung einer Ausweitung der EU-Taxonomie auf weitere Nachhaltigkeitsziele, einschließlich sozialer Ziele. Mit Blick auf den von der Europäischen Kommission eingebrachten Legislativvorschlag zur Überarbeitung der nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmensberichterstattung („Corporate Sustainability Reporting Directive“, CSRD) wird sich die Bundesregierung insbesondere für die Kohärenz zu anderen EU-Rechtsakten einsetzen.

Jahresprojektion der Bundesregierung 2022

Für das Jahr 2022 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,6 % gegenüber 2021 prognostiziert. Das Verbraucherpreisniveau soll um 3,3 % steigen. Gegenüber der Herbstprognose hat die Bundesregierung ihre Wachstumserwartungen von 4,1 % gesenkt und die Inflationserwartungen von 2,2 % deutlich erhöht. Es wird mit einem Beschäftigungsaufbau im Jahr 2022 um 0,9 % gegenüber 2021 und einer Erwerbstätigkeit von 45,3 Mio. Personen gerechnet. Die Effektivverdienste dürften um 3,7 % steigen, bei Nettolöhnen und -Gehältern wird ein Anstieg um 4,4 % erwartet. Für Prognosen jeglicher Art gelten jedoch weiterhin große Unsicherheiten aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie.

Einbindung der BDA im Rahmen der Aussprache zum Jahreswirtschaftsbericht

Die BDA wurde im Rahmen der traditionellen Aussprache zum Jahreswirtschaftsbericht gemeinsam mit weiteren Verbänden des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft im Vorfeld der Veröffentlichung des Berichtes am 13. Januar 2022 zu ihren wirtschaftspolitischen Perspektiven befragt. Folgende Anliegen haben wir im Rahmen der Aussprache vorgebracht:

Strukturwandel zentrale Aufgabe der beginnenden Wahlperiode

  • Erfolgreiche Gestaltung des Strukturwandels mit dem Ziel der Digitalisierung und Dekarbonisierung unter Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erfordert Zusammenarbeit aller Akteure und Fokus der Umsetzung der Maßnahmen auf regionale Ebene.
  • Weiterer Anstieg der Belastung des Faktors Arbeit muss verhindert werden.
  • Notwendigkeit nachhaltig wirkender Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen, um die demografische Transformation zu meistern.
  • Berufliche Qualifizierung muss sich an konkreten Bedarfen der Unternehmen orientieren, digitale Weiterbildungsplattformen unter Ausschuss von Dopplungen und Konkurrenz der Plattformen können wertvoll sein.
  • Qualifizierungsverbünde von Unternehmen verschiedener Größenordnungen können Basis für Formen der Kooperation sein.
  • Mittelstandsfreundliche Ausgestaltung und Begrenzung der umfangreichen Verpflichtungen für Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Fachkräftemangel einer der größten Bremsklötze für die deutsche Wirtschaft

  • Bereits heute können zahlreiche offene Stellen nicht besetzt und Aufträge aufgrund von Personalmangel nicht angenommen werden – offene Stellen übertreffen derzeit mit 1,39 Mio. das Vorkrisenniveau.
  • Strukturwandel wird den Fachkräftemangel bestimmter Branchen (Pflege/Gesundheit, IT, MINT-Bereich, Bau/Handwerk) noch verstärken.
  • Neben Aktivierung aller inländischen Potentiale müssen Verwaltungsverfahren für gezielte und qualifizierte Fachkräftezuwanderung vereinfacht und beschleunigt werden.

Bewertung

Es wird zu sehen sein, wie die sehr problematischen Ankündigungen eines sehr viel stärkeren Fokus auf ökologische Faktoren, einer „erweiterten Wohlstandsmessung“ und der angestrebten Ausweitung der EU-Taxonomie auf Nachhaltigkeits- und soziale Ziele sich auf die konkreten politischen Vorhaben der neuen Bundesregierung auswirken werden. Die BDA wird die Entwicklungen zu diesen Themen sehr genau verfolgen und Sie informieren.

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